
Gerd Buurmann
Buurmann
Es gibt diese Bilder von der Amtseinführung des Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten, J.D. Vance, auf denen eine Frau in einem roten Kleid zu sehen ist. Jedes Mal, wenn ich diese Bilder sehe, schnürt es mir die Kehle zu, und manchmal kommen mir sogar die Tränen. Was mich besonders verwirrt, ist, dass so viele Menschen diese Bilder nicht kennen und nicht wissen, wer diese Frau ist – und vor allem, warum diese Bilder ein Zeichen der Hoffnung sind. Gestern war ich in meiner Heimat im Emsland und habe mit meiner Mutter den Film „Hillbilly Elegy“ geschaut. Der Film basiert auf dem gleichnamigen autobiografischen Roman von J.D. Vance, in dem er seine Kindheit und Jugend in einer Arbeiterfamilie in den Appalachen beschreibt. Vance erzählt darin von Familie, Heimat, Armut und der vermeintlichen Perspektivlosigkeit, mit der er aufgewachsen ist. Es ist eine Geschichte, die mich zutiefst berührt, weil sie emotionale Parallelen zu meiner eigenen Geschichte aufweist. Eine zentrale Figur in der Biografie ist die Mutter von J.D. Vance. Ihr Name ist Bev Jones. Sie kämpfte jahrelang mit einer schweren Drogenabhängigkeit, was das Leben für ihren Sohn – sagen wir es einmal so – vor ganz besondere Herausforderungen stellte. Immer wieder versuchte sie, clean zu werden, fiel jedoch in alte Muster zurück. Trotz ihrer Fehler liebte sie ihren Sohn, und J.D. Vance wiederum tat alles, um ihr zu helfen. Er wuchs in einer chaotischen Umgebung auf, wurde von seiner Großmutter geprägt, musste sich selbst durchkämpfen, studierte und verzieh seiner Mutter doch immer wieder. Ihre Beziehung war von Schmerz, aber auch von einer tiefen Verbundenheit geprägt. J.D. Vance trägt übrigens den Nachnamen seiner Großmutter Mamaw Vance, die ihm in einer schwierigen Kindheit Halt gab. Während seine Mutter mit Suchtproblemen kämpfte, bot Mamaw ihm Geborgenheit und Werte, die ihn prägten und ihm halfen, die Herausforderungen seines Lebens zu meistern. Und die Frau im roten Kleid? Das ist Bev Jones, die Mutter des Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten. Eine Frau, die unendlich gelitten hat, aber dennoch überlebt hat. Die ihren Sohn nicht verlieren wollte. Im Film „Hillbilly Elegy“ wird gezeigt, dass sie es während seiner Kindheit und Jugend nicht geschafft hat, ihre Drogensucht zu besiegen. Bei der Amtseinführung ihres Sohnes jedoch war sie bereits seit Jahren clean und stand dort neben ihm. Dieses Bild traf mich mitten ins Herz. Ich weiß nicht, wann mich in der Politik zuletzt etwas so sehr berührt hat. Auch ich komme aus einer Arbeiter-, Bauern- und Seefahrerfamilie. Mein Vater war Seemann, meine Mutter arbeitete erst in einer Nähstube, später als Köchin und sogar für einige Jahre in einer Spielhalle, wo man nun wirklich täglich mit tragischen Menschen zusammenkommt, die eine ganz eigene Sucht haben – nämlich die Spielsucht. Sowohl mein Vater als auch meine Mutter haben hart gearbeitet, um genug Geld zusammenzubekommen, damit wir Essen auf dem Tisch hatten. Es gab schwere Alkoholprobleme auf der Seite meines Vaters und eine schwere Medikamentenabhängigkeit auf der Seite meiner Mutter. Ich kenne das Gefühl, nach Hause zu kommen und schon von Ferne die Schreie meiner Mutter zu hören, die sich in einem Nervenzusammenbruch fast das Leben genommen hätte. Dennoch bedeutet mir nichts mehr als meine Familie – neben meiner Frau natürlich, die jetzt auch Familie ist. Mein Vater hatte eine äußerst gewalttätige Kindheit und hat es dennoch geschafft, die Gewalt nicht an mich weiterzugeben – etwas, das ich zutiefst bewundere, besonders wenn man seine Alkoholkrankheit bedenkt. Auch meine Mutter bewundere ich für das, was sie aus ihrem Leben gemacht hat. Ich bin stolz auf meine Familie und froh, ein Teil dieses emsländischen Haufens zu sein. Und es berührt mich sehr, zu sehen, wie J.D. Vance seinen Frieden mit seiner Familie gefunden hat – und vor allem, dass er vergeben konnte. Ich glaube, Vergebung ist eine der größten Superkräfte des Menschen.